Maria Montessori

Aus der Werkstatt-Gazette No. 5

Katrin Moser und Verena Fink - 30. 04. 2012

Bei der Frage nach dem „richtigen“ Kindergarten oder der „richtigen“ Schule
kommen immer wieder Montessori-Kindergärten und/oder -schulen ins Gespräch. Oftmals erleben wir, dass Eltern nicht genau informiert sind, was es genau mit der Montessoripädagogik auf sich hat, häufig wird Montessori fälschlicherweise im gleichen Atemzug mit Rudolf Steiner und seiner Waldorfpädagogik genannt.

 

In der Kinderwerkstatt Neuhausen arbeiten wir nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik, deren Entstehung und Inhalte hier beschrieben werden sollen.

 

Dr. Maria Montessori wurde im Jahre 1870 in Italien geboren. Im Jahre 1890 begann sie mit einem Medizinstudium und promovierte 1896 als erste Frau Italiens. Nach ihrer Promotion war sie kurzzeitig in der Politik tätig und entdeckte 1897 schließlich ihr Interesse an der Pädagogik, da sie die Möglichkeit bekommen hatte, an der psychiatrischen Klinik an der Universität Rom mit behinderten Kindern zu arbeiten. Durch diese Arbeit gelang es ihr damals zu beweisen, dass die Bildungsfähigkeit nicht an den mangelnden geistigen Fähigkeiten, sondern an der mangelnden Möglichkeit und Förderung scheiterte. Maria Montessori verwendete, um dies auch belegen zu können, unterschiedliche Materialien, um die Wahrnehmung und Geschicklichkeit bei den Kindern zu trainieren. 1907 eröffnete sie in Rom ihr erstes „Casa dei bambini“ („Kinderhaus“), in dem sie ihre Materialien und Interventionen, ihre Vorstellung von Bildung und Entwicklung anwendete und ihre erzieherischen Aufgaben mit den medizinischen verband. 1952 starb Maria Montessori in Holland.

 

In Deutschland wurde das erste Montessori-Kinderhaus 1919 gegründet, die erste Montessori-Schule 1924 in Jena. Heute arbeiten über 600 Kindergärten nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik, über 300 Grundschulen sowie ungefähr 100 weiterführende Schulen. Montessori-Pädagogik bedeutet in ihrer Grundlage, das Kind in seiner Persönlichkeit zu achten und es als ganzen vollwertigen Menschen zu sehen sowie dem Kind zu helfen seinen Willen zu entwickeln, indem man ihm Raum lässt für freie Entscheidungen - für ein selbständiges Denken und Handeln.

 

Eine so genannte “vorbereitete Umgebung”, in der die Kinder nach ihren persönlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen tätig werden können, sah Maria Montessori als Voraussetzung für Entwicklung und Lernen. Als Basis allen Lernens sah sie die Freude am Lernen, die ein Kernbestand eines jeden Kindes ist und die gepflegt und erhalten werden muss.

 

Maria Montessori stellte in der Entwicklung der Kinder eine Folge von “sensiblen Phasen“ fest. In diesen Zeitabschnitten, die von begrenzter Dauer sind, ist das Kind für den Erwerb bestimmter geistiger und motorischer Fähigkeiten besonders empfänglich. So gibt es beispielsweise bestimmte Perioden für den Erwerb der Sprache, den Ordnungssinn, die Bewegung oder die Unterscheidung von Gut und Böse. Eine grundlegende Aufgabe der Montessori-Erziehung ist es, diese „sensiblen Phasen“ zu nutzen und dem Kind die Möglichkeit zu schaffen, diese auszubilden, ihm die Gelegenheit zu bieten dem eigenen Lernbedürfnis zu folgen, da Kinder nicht nur irgendetwas lernen, sondern zu einer bestimmten Zeit etwas ganz Bestimmtes lernen wollen.


Eines der wichtigsten Prinzipien der Montessori-Pädagogik ist es, dass das Kind in Freiheit und selbstständig lernen kann. Zur Selbstverwirklichung benötigt das Kind erzieherische Leitung, die jedoch den freien Willen des Kindes nicht unterdrücken darf. Der Leitsatz, “Hilf mir, es selbst zu tun” fasst diesen Grundgedanken zusammen. Er bedeutet, dass der Erwachsene sich in der Rolle des Helfenden sieht, der dem Kind den Weg in die Selbständigkeit ebnet, ihn also zum Lernen hinführt, sich dann jedoch zurücknimmt und zum Beobachter macht, um den Entwicklungsprozess begleiten zu können. Das Kind fordert vom Erwachsenen ein, gezeigt zu bekommen wie etwas geht, der Erwachsene löst das Problem jedoch nicht für das Kind, sondern lässt das Kind die Lösung und die Erkenntnis selbst finden und durchführen, hilft ihm Schwierigkeiten zu überwinden, statt ihnen auszuweichen.

 

Durch die „vorbereitete Umgebung“ wird eine räumlich-zeitliche und methodisch-didaktische Vorstrukturierung geboten, die jedem Kind ein Maximum an individueller Selbsttätigkeit ermöglichen soll. Der/ Die LehrerIn, der/ die ErzieherIn, der/ die das Kind begleitet, ist also geschult darauf, das individuelle Kind zu beobachten, die sensiblen Phasen zu erkennen und das Kind zur Aktivität und somit zum Lernen hinzuführen.


Maria Montessori erkannte, dass jeder Mensch, gleich welchen Alters lernen möchte. Es ist der Drang nach Selbstständigkeit und letzten Endes auch nach Unabhängigkeit, der zur Charakterausbildung eines jeden Menschen beiträgt. Zudem erkannte sie, dass jeder Mensch eine individuelle Behandlung benötigt, ganz gleich über welchen Bildungsstand oder welche Fähigkeiten er verfügt.


Literatur:
Holtstiege, Hildegard: Grundsätze und aktuelle Geltung der Montessori-Pädagogik. Freiburg 1977
Oswald, Paul und Schulz-Benesch, Günther (Hrsg.): Grundgedanken der Montessori-Pädagogik
Quellentexte und Praxisberichte. Freiburg 2008.
Montessori, Maria: Gesammelte Werke 1. Die Entdeckung des Kindes. Herausgegeben und bearbeitet von Harald Ludwig. Freiburg 2010